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WILHELM REICH

 



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David Holbrook
Charles Konia
Paul Mathews
Vittorio Nicola

PANZERUNG BEI EINEM EINJÄHRIGEN BABY

Mary Chakos, B.A.(*)

The Journal of Orgonomy vol. 3/1, 1969
The American College of Orgonomy

 

Dieser Artikel ist eine Beschreibung des Verhaltens meines Kindes während seiner ersten beiden Lebensjahre und beschreibt einige funktionelle Probleme des Kindes während dieser Jahre. Es werden Vermutungen angestellt, wie diese Probleme verursacht, aufrechterhalten und später gelindert wurden.

 

Beschreibung der Geburtsumstände

Aufgrund von Eheproblemen wurde eine Trennung vom Ehemann zwei Monate vor der Geburt des Babys vollzogen. Die Scheidung erfolgte vier Monate nach der Geburt. Die Liebe für das ungeborene Kind beruhte darauf, wieviel Kontakt es zwischen den Eltern gab, aber trotz Enttäuschungen in der Ehe war es ein Wunschkind. Die Bewegungen in der Gebärmutter waren manchmal sehr kräftig und die Schwangerschaft verlief normal, ohne Schwellungen, Übelkeit oder andere Komplikationen, obwohl Orgasmusangst bei der werdenden Mutter manchmal ausgeprägt war. Die Mutter brachte, wie ich glaube, hauptsächlich Traurigkeit und Furcht zum Ausdruck. Die Wehen begannen (zwei Wochen zu früh) mit starken und häufigen Kontraktionen, wurden gegen Ende der ersten Phase im Krankenhaus sehr schmerzhaft, und waren von einem "Weggehen" in den Augen begleitet. Die zweite Phase war jedoch euphorisch und schmerzlos und die Bewegung des Babys nach unten wurde als so ähnlich erlebt wie die Abwärtsbewegung der Energie während des Koitus. Bewegungen und Atmung glichen sich ebenfalls spontan dem des Geschlechtsakts an und es schien alles gut voranzugehen, bis der Arzt hereinkam. Er schien ziemlich ungehalten zu sein angesichts der Vorgänge und zornig befahl er der Mutter damit aufzuhören. Er drohte die Geburtszange zu verwenden, wenn die zweite Phase nicht mit unangenehmen Geburtshilfemethoden beschleunigt werde. Er hielt ihr diese Methoden plastisch vor Augen und zwang die Mutter soweit in die Compliance, daß er sie mit unnötigem Aufwand ihre Zähne zusammenbeißen und ihr Gesicht verzerren ließ. Und das trotz der normalen Position des Babys und all der sich über fünf Stunden hingezogen habenden vorgeburtlichen Wehen.(1) Unnötig zu sagen, daß die Wehen wieder schmerzhaft wurden, mit einem großen Ausmaß an Dammriß einhergingen und mit einer sehr starken Kontaktlosigkeit bei der Geburt.

Kontakt mit dem Baby existierte nicht und das einzige Interesse der Mutter war Essen. Das neue Baby (ein Junge von 2800 Gramm) schrie fast die ganze erste Nacht, während es von seiner Mutter getrennt war. Es verbrachte den nächsten Tag mit seiner Mutter, die zu dieser Zeit "wieder zu sich kam". Es saugte sehr gut, obwohl die Milch nicht ganz da war, und es schlief ziemlich friedlich. In dieser Nacht schlief das Baby alleine gut, wonach es (zwei Tage alt) zusammen mit seiner Mutter das Krankenhaus verließ. Der kleine Junge wurde nicht beschnitten.

Wenn die Mutter es hielt und stillte, war der Kontakt mit dem Baby stark und sie fühlte sich beschwingt, mit starken genitalen Strömungen. In den ersten Tagen verschwanden diese bzw. waren herabgesetzt, wenn der Ehemann anwesend war. Zu diesen Zeiten wurde das Baby unruhig, unzufrieden und blaß aufgrund der Anspannung der Mutter. Wenn es Hunger hatte oder wenn es jemanden nicht mochte, schrie das Baby laut, mit gerötetem Gesicht, seinen Rücken nach hinten verkrümmt, bis seine Forderungen erfüllt wurden oder seine Mutter es hielt. In der Nacht war der Kontakt wieder vollständig, wenn der Säugling alleine mit der Mutter und in ihrer Nähe war. Hatte das Kind zu diesen Zeiten Hunger, wachte es mit mehr Farbe in seinem Gesicht auf, fuchtelte mit seinen Ärmchen, schaute erwartungsvoll um sich und atmete aufgeregt, um anzudeuten, daß es gestillt werden wolle. Nach dem Stillen schlief es viele Stunden friedlich. Der Säugling war einfach bezaubernd zu diesen Zeiten und der Milchfluß war ausreichend.

 

Die frühe Entwicklung kurz zusammengefaßt

Nach zwei Wochen tauchte bei der Mutter Genitalangst auf und hielt auch an, nachdem (als das Baby einen Monat alt war) eine Behausung weit weg vom Ehemann gesichert war, obzwar von seiner Seite lange, häufige und eher unangenehme Besuche fortgeführt wurden. Die Mutter litt weitgehend unter freiflotierender Angst, die nicht auftrat, wenn sie den Säugling gerade stillte. Er fühlte sie dennoch und wollte infolgedessen häufig gehalten und gestillt werden. Als er fünf Wochen alt war, schrie er eine Menge, wenn seine Mutter ihn nicht hielt. War er auf der Brust eingeschlafen, wachte er sofort wieder auf, wenn er abgelegt wurde. Der Säugling wollte nicht allein sein und schien unruhig zu sein oder sogar Koliken zu bekommen, wenn er nicht gehalten wurde. In seinen Wachphasen war er nur selten zufrieden, wenn er allein war.

In der achten Woche waren diese Symptome weitgehend verschwunden, obwohl die Angst der Mutter weiterhin mit den Strömungen alternierte. Das Baby nahm die Brust gut und weniger häufig und es wurden mehrere orale Orgasmen (Zittern von Lippen und Zunge, Entspannung des Gesichts und in Schlaf fallen) beobachtet. Es war warm und rosig, hatte keine Spur von Verdauungsstörungen, schlief gut und wachte guten Mutes auf.

 

Das erste Jahr

Die folgenden Kommentare, dem Babytagebuch entnommen, vermitteln ein Allgemeinbild vom ersten Jahr des Säuglings:

Achte und neunte Woche: Wenn er morgens aufwacht, lacht er über Gegenstände um ihn herum und scheint so froh zu sein zu leben! Er wird gehalten und mit ihm gespielt. Er reagiert sehr gut auf andere Menschen. Im Park sitzt er gerne auf meinem Schoß und schaut zu, wie die Kinder spielen. Er lächelt oft und scheint von ihnen begeistert zu sein. Nachts schläft er sechs Stunden, wacht auf, um die Brust zu nehmen, um dann weiterzuschlafen. An zwei Tagen war er launisch und mürrisch. Nichts schien ihm zu gefallen und er schrie bei der kleinsten Herausforderung. An diesen Tagen war ich verzweifelt und unglücklich. Der Appetit ist enorm und er nimmt rasch an Gewicht zu.

Zehnte Woche: Liebt es aufrecht an ein Kissen gelehnt zu werden, nachdem er gefüttert worden ist. Körper warm und rosig, Augen aufmerksam auf das Mobile gerichtet, daß über seinem Bett hängt, mit kräftigen Bewegungen von Armen und Beinen, wenn er von ihm begeistert ist. Nimmt gut Brust und Flasche. "Redet", wenn Gesichter sich ihm nähern.

Dritter Monat: Im Verlauf der letzten Woche erschrak sich das Baby und schrie, wenn es unvermutet laute Stimmen oder Singen vernahm (dreimal) und einmal, als ich plötzlich den Raum betrat, nachdem es eine Stunde lang lächelnd mit seinem Mobile gesprochen hatte.

Dreieinhalb Monate: Der Säugling zeigt große Kraft in den Gliedmaßen. Zeitabschnitte relativer Passivität wechseln mit einem Gesichts- und Körperausdruck, der von großer Kraft und Intensität spricht, mit kräftigen Bewegungen von Armen und Beinen. Er wurde zu einem Orgonomen gebracht, der ihn untersuchte und sagte, er atme gut, sei energetisch und wach, sehe wohlgenährt aus und habe guten Blickkontakt. Mag seine Babynahrung und wird sehr aktiv und laut bei der Fütterung. Schläft oft zehn Stunden die Nacht durch und nimmt tagsüber kurze Nickerchen. Wiegt ungefähr 7000 Gramm.

Fünfeinhalb Monate: Schnelle motorische Entwicklung. Kriecht gerne, wenn er nackt ist. In der Badewanne Plantschen mit den Fäusten und genitales Spielen. Zwei leichte Erkältungen gehabt. Extremitäten immer warm und meist gute Farbe. Interessante Gegenstände, Erwachsene, Kinder und Lebensmittel begeistern ihn. Liebt es gestillt zu werden, bis er schläft, obwohl er manchmal von allein einschläft. Liebt es zu beißen, zu kauen und alles in den Mund zu nehmen, verliert aber das Interesse an Gegenständen, die er bereits kennt. Streckt sich um aufgenommen und gehalten zu werden. Liebt es in die Luft geworfen zu werden, solange der Erwachsene keine Angst zeigt.

Sechseinhalb Monate: Erkältung und Dreitagefieber. Erhöhte Temperatur währt drei Tage, gefolgt von schlechter Laune. Schüchternheit gegenüber Fremden dauert zwei Wochen an.

Siebeneinhalb Monate: In der kleinen Wohnung geht er bevorzugt den Möbeln entlang, statt zu kriechen. Auf einer großen Fläche kriecht er gerne. Das Schreien ist voll und kraftvoll. Liebt es mit Menschen zusammenzusein, die ihn gerne haben und er ist in dieser Zeit sehr lebhaft. Sehr kurze Nickerchen während des Tages. Schläft die Nacht durch. Entwöhnung, Umstellung von Brust auf Flasche. Nimmt Flasche gut an, bevorzugt aber die Brust; dreht häufig die Wange Richtung Brust, wenn er die Flasche nimmt, nimmt aber weiterhin die Flasche, wenn sie vorgehalten wird. Wird für einen Tag die Woche, während ich arbeite, in Obhut einer älteren weiblichen Verwandten gegeben.

Achter bis zehnter Monat: Starke, breite Brust und Schultern. Er ist stark und aggressiv gegenüber Leuten. Hat sieben Zähne und in Reaktion auf Erregung besteht er darauf, die Gesichter jener zu beißen und zu schlagen, die er mag. Wenn er einen Fremden gerne hat, streckt er dieser Person seine Arme entgegen. Wenn er mehr Zeit braucht, lächelt er sie an und wendet dann scheu sein Gesicht ab. Wenn er sie nicht mag, keine Reaktion und er sträubt sich stark dagegen, von dieser Person getragen zu werden. Konzentriert sich sehr lange auf manuelle Fertigkeiten – bis zu einer Stunde. Schreit vor Wut, wenn Konzentration unterbrochen wird. Krabbelt mit großer Freude durch die ganze Wohnung. Ißt gerne mit den Fingern, während er Löffel hält. Zeigt keine Angst vor lautem Objekt, sobald er mit ihm vertraut geworden ist. Wird bei Angst leicht getröstet, wenn er mit Empathie gehalten wird. Das Beißen von Leuten manchmal exzessiv. Scheint aufzutreten, wenn er über seine Toleranzschwelle hinaus erregt ist.

Ein Jahr: Über Säugling keine Beschwerden. Gute Beziehung zwischen Mutter und neuem Freund. Beißt jetzt selten Leute. Stattdessen nimmt er sie in den Mund ohne seine Zähne zuschnappen zu lassen. An der Haut zu saugen, ist seine Version von Küssen. Hat mehr Interesse an Küchengeräten als an seinem Spielzeug, dem er schnell überdrüssig wird. Stark, robust, groß und unabhängig für sein Alter. Gute Farbe, rosa, Augen offen und glänzend mit einem ernsten, vertrauensvollen Ausdruck, insbesondere dann, wenn er seine Flasche nimmt. Fast immer aggressiv, manchmal sanft, manchmal grimmig (Schlagen, Beißen und laut Schreien). Liebt es "geschäftig zu sein" und zu spielen, sobald er aufwacht. Appetit unterschiedlich. Ich habe starke genitale Gefühle in der Nähe des Babys. Meine Hände, Arme und Brust erwärmen sich, wenn ich ihn halte. Liebt es mit mir zu kuscheln, wenn meine Brust für ihn energetisch offen ist. Manchmal fühle ich mich abgeschnitten und verärgert, bedauere, daß ich ständig Zeit mit ihm verbringe und liebe ihn viel mehr, nachdem ich substantiell von ihm entlastet worden bin. Er hält sich bereitwillig an die wenigen Verbote im Haushalt. (Ich klopfe auf den Gegenstand mit einem deutlichen "Nein". Er lächelt, schlägt den Boden mit einem exklamatorischen Ton und krabbelt bereitwillig weg. Dies wird für den gleichen Gegenstand oft wiederholt.) Wenn er unglücklich und wütend oder müde ist, drückt er sein Unbehagen beharrlich aus. Es ist mein Eindruck, daß er fordernder ist als die meisten Babys seines Alters. Das wurde durch eine junge Babysitterin bestätigt, die, obwohl sie ihn liebte (und umgekehrt), ihn nicht ertragen konnte und das Babysitten aufgab.

Zusammenfassung des ersten Jahres: In den ersten fünf Monaten entsprach die emotionale Situation des Babys ganz den genitalen Lustgefühlen der Mutter und ihrer Angst. Perioden relativer Passivität, Blässe, trüber Augen und vager Forderungen wechselten mit häufigeren Zeiträume aufgeweckter und kräftiger Körperbewegungen, wenn das Baby das Bild großen Selbstvertrauens und Stärke vermittelte, insbesondere wenn es erregt war ("Supermaus" im Kreis seiner Freunde). Sein Schreien war voll, wenn es erschrocken oder wütend war ("Walmaul" war eines der weniger kontaktvollen Bemerkungen). Es schien ziemlich spontan aus seiner Passivität gerissen zu werden, sobald seine Mutter entspannen konnte und es genießen konnte oder wenn es in die Obhut entspannter Menschen übergeben wurde.

Zwischen dem siebten und neunten Monat traten zwei wichtige Veränderungen im Leben des Kindes auf: Es wurde regelmäßig der Obhut einer älteren Verwandten übergeben und die Mutter hatte eine Beziehung mit einem neuen Partner, der ab hier als Vater bezeichnet wird. Während des ersten Jahres, als die Mutter sehr expansiv war und viel Aufregung tolerieren konnte, war auch das Baby expansiv und zeigte starke Hinweise für "binokulares Sehen".(2) Seine Augen waren hell, weich und "sehend", und es konnte sich auf seine Umwelt beziehen und sie sehr fröhlich und selbstbewußt beeinflussen (Möbel verschieben und sich hinter ihnen verstecken, in Zimmer hinein und wieder herauskrabbeln, Guckguck spielen, usw.)

 

Einsetzen des Panzers

Kurz nachdem er ein Jahr alt geworden war, veränderte sich Verhalten und Erscheinung des Babys entschieden. Er wurde allgemein unzufrieden, unruhig und widerspenstig. Beispielsweise hörte er nicht mehr auf die Mutter, wenn ihm gesagt wurde die Steckdosen nicht zu berühren. Als er damit fortfuhr, derartige ihm verbotene Gegenstände trotzdem voller Trotz auszuprobieren, schlug die Mutter auf seine Hände und das Baby schlug sich dann selbst ins Gesicht und fing herzergreifend zu weinen an. Seine Wut war nach innen gewendet und sein Schreien war quengelig statt voll. Seine Forderungen wurden immer übertriebener und unvernünftiger und die Eltern gaben immer mehr nach, um dieses schreckliche Verhalten zu vermeiden. Obwohl seine Extremitäten warm blieben und er immer noch sehr aktiv war, konnte er weniger Erregung tolerieren. Er wurde extrem kitzelig, was spielerische Berührungen betraf, wurde ungehalten, wenn das Raufen ihn zu sehr erregte und biß Erwachsene auf jede Stichelei bzw. das geringste Flirten hin. Häufig versuchte er andere Kinder zu schlagen und genoß offenbar ihre Gesellschaft nicht wirklich. Seine Farbe war blaß und er fing an sich häufig die Finger in den Hals zu stecken, manchmal bis er sich wirklich übergeben mußte. Er verweigerte alle Lebensmittel, außer was er aus der Flasche bekommen konnte und Vitaminpillen. Er manipulierte seinen Penis ziemlich grob und sagte ihm sogar "get out" (verschwinde). Er machte häufig eigenartige und grunzende beunruhigende Geräusche, wenn er sich die geringste Mühe geben mußte. Es schien als verbalisiere er damit die Hemmung.

Seine Augen hatten nicht mehr den ernsthaften Blick, auch wirkte sein Gesicht nicht mehr "offen". Sein Lieblingsausdruck bei der Begegnung mit fast jedem lautete "get" (für "get out", verschwinde), anstatt durch den neuen Kontakt angeregt zu werden. Die genitalen Empfindungen der Mutter beim Umgang mit dem Baby waren stark zurückgegangen oder nicht vorhanden und gewannen nie wieder die volle Stärke des ersten Jahres.

Dieser Zustand währte etwa einen Monat. Die Eltern wurden immer besorgter und brachten das Baby schließlich zu einem Orgonomen, der nach einer Untersuchung fand, daß es überall im Körper eine Menge Wut zurückhielt insbesondere aber in seinem Mund. Das erklärte das Beißen, die Essensverweigerung und das Gequengel. Nachdem einiges an Wut entladen war (während dieser Zeit wehrte das Baby den Orgonomen und die Mutter mit großer Kraft ab, während seine Hemmungen persistierten), bemerkte der Arzt wie das Baby seine Händchen rang, als ob es einen Widersand überwinden müsse, sie in seinen Mund zu stecken. Da die Eltern sehr glücklich in ihrer neuen Beziehung waren und es nach ihrem Gefühl keine wichtigen Konflikte gab, rätselten alle über die Ursache der zurückgehaltenen Wut und offensichtlichen Mundhemmung. Der Arzt riet die Eltern unvernünftigen Forderungen des Kindes nicht nachzugeben, es aber zu ermutigen, seine Wut durch Schlagen und Treten des Bettes auszudrücken und es aufzufordern, beim Weinen den Mund weiter zu öffnen, sowie eine Kugelschreibertaschenlampe für [die Mobilisierung] seine[r] Augen zu verwenden. Letzteres machte das Baby zuerst unruhig, dann wütend.

Zu Hause schien diese Vorgehensweise zunächst zu helfen. Das Baby begann besser zu essen und sich auszudrücken und wurde ein bißchen weniger häufig wütend, aber die Symptome, mit Ausnahme, daß es sich nicht mehr selbst schlug, kamen ständig zurück. Das Baby blieb im Großen und Ganzen aggressiv widerspenstig und die Eltern verharrten in ihrer hilflosen Beschwichtigungshaltung mit verborgenem Ärger.

 

Wahrscheinliche unmittelbare Ursache für die Panzerung

Das Baby wurde einmal pro Woche für einen ganzen Tag von siebeneinhalb Monaten bis zum vierzehnten Monat in der Obhut einer älteren Verwandten gegeben. Und das trotz der Tatsache, daß am zweiten Lebenstag seine erste Reaktion auf sie aus lautem Schreien bestanden hatte. Die Mutter nahm ihre wiederholten Beteuerungen von Liebe für das Baby leider ernst und nahm dankbar ihr Angebot an, sich um es zu kümmern, während die Mutter arbeitete. Nach ihrer Rückkehr um ihn abzuholen, bemerkte sie immer eine von zwei Reaktionen: Seine Augen waren vorübergehend trübe und boten ein passives Bild mit leichtem Jammern oder, sobald sie durch die Tür hineinkam, fing er an nachdrücklich zu schreien, während er ihr Gesicht heftig schlug und biß. Sie stellte dieses Verhalten dauerhaft vor ein Rätsel, da die Verwandte, die das Baby betreute, darauf bestand, daß es dort glücklich sei. Als "Beweis" wurde angeführt, daß es nie weine, wenn es bei ihr sei. Das Baby schien häufig erleichtert zu sein nach Hause zurückzukehren und blieb über seine übliche Schlafenszeit hinaus auf, um zu spielen und um im Haus herumzukriechen.

Mit dem Beginn der Panzerung, wie oben beschrieben, war das Baby im allgemeinen unzufrieden geworden und die Eltern konnten sich nicht erklären, warum der Kontakt verlorengegangen war und warum Trotz, Jammern und heftiges Beißen zum normalen Verhaltensrepertoire geworden waren.

Auf detailliertes Befragen der Verwandten, die sich einmal die Woche um das Kind kümmerte, wurden ihre schädlichen Methoden im Umgang mit dem Baby ausgemacht:
  1. Das Baby wurde daran gehindert, seine Finger und Gegenstände in den Mund zu stecken, stattdessen wurde es ständig ermutigt an Lebensmitteln herumzuknabbern.
  2. Jede Woche, wenn das Baby keine Darmentleerung nach seinem Nickerchen hatte, wurde es gegen seinen Willen auf unbestimmte Zeit über eine Toilette gehalten und durch grummelnde Geräusche ermutigt.
  3. Das Baby durfte nie herumkriechen, um seine Umgebung zu erkunden, sondern wurde den ganzen Tag gehalten.
  4. Wenn es anfing, das geringste Mißfallen zu zeigen, trug die ängstliche Verwandte es zu einem anderen Objekt (z.B. zum Telefon, das an der Wand hing) und ließ es damit spielen, während sie es hielt. Sie erschöpfte sich, indem sie es den ganzen Tag mit sich herumtrug und jede seiner Regungen vorhersah, bevor es sie überhaupt zum Ausdruck bringen und man eine rationale Reaktion erwarten konnte.
Ob es spezifische genitale Einschränkungen gab, konnte nicht eruiert werden.

Zusätzlich zu diesen offensichtlich schädlichen Praktiken schien es, daß in dem Haushalt Heuchelei der heimtückischste Faktor von allen war. Ich wußte, daß es unter ihren erdrückenden Beteuerungen der Liebe für das Baby eine große Menge an Haß, Schuld und Leid gab, die zwischen den Mitgliedern der Familie ihre Wirkung ausübten. Das Baby war nicht in der Lage, die Situation zu bewältigen, indem es seine Wut direkt ausdrückte, sondern es konnte sie nur zurückhalten, um zu überleben.

Die Eltern kamen zu dem Schluß, daß auch nur einen Tag pro Woche unter solchen Bedingungen verbringen zu müssen, die wahrscheinliche unmittelbare Ursache für den gepanzerten Zustand des Babys gewesen war und dies weiterhin für es schädlich sein würde. So bald wie möglich wurden andere Vorkehrungen für seine Betreuung getroffen und von da an wurden nur selten Besuche bei der älteren Verwandten gemacht und diese nur im ständigen Beisein der Mutter. Sie durfte das Baby nie halten, weil es dies nie wollte.

 

Die roten Fäden seit der Geburt

Im nachhinein glaube ich, gab es folgende Umstände in die Mutter-Kind-Beziehung, die das Baby möglicherweise anfällig für Panzerung gemacht haben:
  1. Die Mutter hatte während der Schwangerschaft keine befriedigende sexuelle Beziehung.
  2. Aufgrund der chaotischen Umstände vor der Geburt, konnten keine Regelungen getroffen werden, das Kind nach der Geburt ständig in der Nähe der Mutter zu haben (die Geburt war zwei Wochen zu früh).
  3. Es gab keinen Kontakt bei und unmittelbar nach der Geburt, weitgehend aufgrund der Forderungen des nervösen Arztes nach einer erzwungenen Geburt. Mutter und Kind wurden für fünf Stunden und dann die Nacht über getrennt, was bei der Mutter zu einem Gefühl tiefer Trauer und Reue führte, das Kind nicht ausreichend geschützt zu haben.(3) Trotz des später verbesserten Kontakts blieb dieses Gefühl während des ersten und zweiten Lebensjahrs des Babys latent bestehen und wurde auf folgende Weise verstärkt: Der Säugling fiel mehrmals in seinen ersten Monaten hin, weil er keine Babymöbel hatte. Er wurde häufig der Betreuung von Menschen überlassen, die er nicht mochte, und seine Mutter nahm leider die Anzeichen für seine Not zu diesen Zeiten nicht wahr. Es zeigte sich, daß sie nicht wissen wollte, welche die richtigen und welche die falschen Menschen für ihn waren. Die ältere Verwandte mütterlicherseits, die sich um ihn gekümmert hatte, übte beispielsweise nicht die gleichen schädlichen Praktiken auf das Baby aus, wie es die Verwandten väterlicherseits taten, rief bei ihm aber immer noch stark negative Reaktionen hervor.
  4. Die Mutter litt unter Angst vor dem Stillen, was zu vorübergehenden Zeitabschnitten von Passivität (Kontaktlosigkeit) beim Baby führte, einschließlich dem nach hinten Krümmen seines Rückens, wenn die Mutter gehemmt war. All dies löste sich spontan auf, als sie das Baby erneut genoß.
  5. Aufgrund genau dieser Angst wurde das Baby von der Brust entwöhnt und auf die Flasche umgestellt, bevor es zu verstehen gegeben hatte, daß es dazu bereit sei und trotz seiner anhaltenden Vorliebe für die Brust bis zum achten Monat.
  6. Als winzigem Säugling wurden dem Baby kleine Mengen von "Reformkost" durch eine Pipette verabreicht, obwohl es Gesichter schnitt, als dies getan wurde. Dies war ein mechanistischer Versuch der Mutter, ihre eigenen Befürchtungen zu zerstreuen, daß die Qualität der Muttermilch nicht hoch genug sei. Diese Praxis wurde aufgegeben, als das Kind dreieinhalb Monate alt war.
Die beiden letzteren Vorgehensweisen, zusammen mit dem systematischen Verbot der älteren Verwandten Objekte in den Mund zu nehmen, daß sie es mit Lebensmitteln vollstopfte und die fehlende Möglichkeit oralen Ausdrucks in ihrem Beisein, könnte erklären, warum das Baby die meiste Wut in seinem Mund festhielt. Meiner Meinung nach wären die zeitweisen Hemmungen des Babys vorübergehend geblieben, wäre es nicht den ungewöhnlich widrigen Bedingungen in ihrem Haushalt ausgesetzt gewesen.

 

Auflösung der Panzerung

Auch nachdem zufriedenstellendere Vorkehrungen für seine Betreuung während der Abwesenheit der Mutter getroffen worden waren, hielt sich der Panzer des Kindes selbst aufrecht: Gequengel mit verkrampften Mund statt ungehemmt zu schreien, wenn er wütend war, chronisches Beißen, unbefriedigendes Spielen, nach verbotenen Gegenständen greifen, Schreien beim Erwachen, ständig riß er das Spielzeug anderer Kinder an sich, usw. Generell bot er ein Bild von Unzufriedenheit und es gab so gut wie keinen orgonotischen Kontakt zwischen Baby und Mutter.

Die Eltern verfolgten weiterhin ihre Politik einer lächerlichen Nachgiebigkeit, um jede Konfrontation mit dem wütenden Säugling zu vermeiden: Infolgedessen waren alle unglücklich und das Baby begann Nachgiebigkeit mit Liebe gleichzusetzen und war "verletzt", wenn irgendeine seiner ausgefallenen Forderungen abgelehnt wurden.

Das Baby wurde wieder zu einem Orgonomen gebracht; vier halbe Sitzungen in denen der Arzt und die Mutter zusammenarbeiteten, um seine Wut freizusetzen. Es war für alle Beteiligten harte Arbeit, denn das Baby widersetzte sich weiterhin energisch, obwohl viel Wut freigesetzt wurde und sich die Brust des Babys nach jeder Sitzung "weicher" anfühlte. Dem Baby ging es jedoch noch immer nicht gut und man kam zu dem Schluß, das Problem läge nun völlig auf Seite der Eltern, deren Beziehung seit Beginn der Probleme des Babys angespannt war.

Zu Hause wurde das Kind ermutigt, sich seine Finger in den Mund zu stecken, auf bzw. in Gegenstände zu beißen und wenn wütend seine Eltern zu schlagen. Die Kugelschreibertaschenlampe rief weiterhin Zorn hervor. Wir drückten auf seine Muskeln, wie es uns der Orgonom beigebracht hatte, so daß die Wut freigesetzt werden konnte. Es zahlte es uns heim, indem es unsere Gesichter schmerzhaft mißhandelte. Einige Monate fuhr er damit fort und war ständig grob und aggressiv. Von mir ermutigt, beschränkte er den Ausdruck dieser Haltung auf seine Eltern. Wegen der Aggression fing der Vater an, das Baby abzulehnen und die beiden hatten über ziemlich lange Zeiträume wenig miteinander zu tun.

Nach ein paar Monaten gaben wir es auf, die Muskeln des Babys gegen seinen Willen zu drücken, da es sich weiterhin unseren Bemühungen widersetzte und es keine Ergebnisse zu bringen schien. Dennoch fuhr er fort uns im Geiste einer schadenfrohen infantilen Rache zu malträtieren. Ich entdeckte, daß, wenn man sich einfach nur vor den kräftigen Attacken des Babys schützen wollte, dies bei ihm jedesmal zu echten, starken Wutausbrüchen führte. Gelegentlich gab er dann zu verstehen, er wolle selbst an seinem Kiefer gedrückt werden, um die Hemmung im Mund zu lindern.

Nach und nach wurde es mit dem Baby besser, als sich die Beziehung zwischen den Eltern verbesserte: Sein Schreien wurde voller und sie konnten seine wütenden Ausbrüche besser tolerieren. Der Vater mußte vor allem lernen, nicht den Zumutungen des Babys nachzugeben, um dessen möglichen Ärger abzuwehren, sondern hart zu bleiben, was Grenzen betraf, und nicht selbst zornig zu werden, sondern stattdessen das Baby zu ermutigen wütend zu werden. Zur gleichen Zeit begannen die Eltern selbst sich dem Baby zuzuwenden, d.h. mindestens drei Stunden bei ihm zu sitzen und mit ihm zu spielen. Rundum begann sich der Kontakt zu verbessern und die Reaktion des Babys auf die gelegentliche Verwendung der Kugelschreibertaschenlampe wurde eine Zeit lebhafter Erregung; ein Spiel, auf das man sich vor dem Schlafengehen freute. Es wurde weniger wütend, aber dafür hingebungsvoller. Die Ermutigung dieses Zorns von Seiten der Eltern und ihr gleichzeitiges Festhalten an ihren Regeln sowie ihr Spielen mit ihm für lange Stunden schienen die wichtigsten Faktoren in seiner Besserung zu sein.

Dennoch hielt das Baby seinen Panzer aufrecht, auch lange nachdem er bei der verstörenden älteren Verwandten gewesen war. Er hätte sich wahrscheinlich schneller erholen können, wenn nicht die folgenden störenden Umstände vorgelegen hätten:

  1. Spannungen in der elterlichen Beziehung, die ihren Kontakt mit dem Baby behinderten. Als Ergebnis dieser Spannungen unterließen es die Eltern zusammenzuarbeiten, indem sie füreinander einsprangen, so daß der Kontakt mit dem Kind nicht so frisch und aufregend gehalten wurde, wie es möglich gewesen wäre. All das hätte vermieden werden können, hätten sich die Eltern besser gekannt, bevor ein Kind ins Spiel kam.
  2. Geminderter Kontakt zwischen Mutter und Kind durch die Angst der Mutter vor dem Stillen und die frühe Unterbrechung des Stillens. Das erstere hätte durch ein befriedigendes Sexualleben mit einem verständnisvollen Partner gemildert werden können.
  3. Der generelle Mangel an Expansion der Mutter während des Zeitraums der Abpanzerung. In einem früheren Zeitraum beispielsweise, als die Mutter im allgemeinen expandiert und tolerant war, war das Baby spontan von einer Periode aggressiven Beißens genesen. (Siehe oben das Babytagebuch unter "Ein Jahr".)
  4. Die Intoleranz des Vaters für Aggression, die zu einem nachhaltigen Fehlen von Kontakt mit der emotionalen Situation führte. Das Baby entzog sich dann dem Vater und belastete die Mutter entsprechend viel mehr, indem es sich für alle seine Forderungen an sie wandte.

 

Gegenwärtige Persönlichkeit (Neunzehnter bis fünfundzwanzigster Monat)

In dem Maße, in dem die chronische Panzerung des Babys verstanden und aufgelöst wurde (18.-19. Monat), kehrte sein natürlicher Charme und seine Sanftheit zurück. Nun gedeiht er wie zuvor bei Erregung und wird unglücklich, wenn er auf Dumpfheit (Kontaktlosigkeit) bei anderen Kindern oder bei Erwachsenen trifft. Er kooperiert nun spontan und ist voller Charme, richtet sich innerhalb der Grenzen ein, die von den Eltern gesetzt worden sind, und man kann darauf vertrauen, daß er verbotene Gegenstände meidet, wenn er allein ist. Weitere Zusammenarbeit rund um das Haus (Fragen oder Herzeigen, bevor er anfängt mit einer neuen Sache zu spielen, etc.) wird durch die absolute elterliche Achtung vor dem Besitz des Kindes bestimmt. Er ist sich sehr sicher, was das Wissen darüber betrifft, was er für sich selbst will oder was er nicht will, oder wen er mag bzw. nicht mag. Das geht soweit, daß er seine Mutter von einigen Personen wegzieht. Seine Herangehensweise an seine Eltern und andere Kinder kann ganz sanft und weich sein, obwohl ihm oft mit Härte oder Unempfänglichkeit bei Kindern seines Alters oder mit Geniertheit bei älteren Kindern begegnet wird.

Gelegentlich kehrt er zu seinem früheren Verhalten zurück (allgemeine Unzufriedenheit, mit Gequäke und aggressivem Verhalten gegenüber den Eltern), trifft er auf eine haßerfüllte Antwort bei seinen Eltern. Er erholt sich jedoch schnell, wenn seine volle Wut gegen sie gefördert wird und der Kontakt wiederhergestellt wird.

 

Fazit

Obwohl die natürlichen Bestrebungen eines Kindes in Richtung Lust, Unabhängigkeit und einheitlichem Funktionieren durch Hemmungen und Panzerung verzerrt werden können, sind sie immer vorhanden und geben den Eltern Hoffnung, daß die Blockaden überwunden werden können. Dies kann nur geschehen, wenn die Eltern die Bedürfnisse des Kindes verstehen und wenn untereinander ein entspannter, lebendiger Kontakt gepflegt wird.

 


Fußnoten

(*) Vormals Grundschullehrerin in Manhattan, New York

(1) Später konnte er keine medizinische Erklärung für das Forcieren der Wehen geben ("Nun gut, man weiß nie..."). Leider war der Hausarzt der Mutter zu der Zeit im Urlaub.

(2) Ein Phänomen, das in Elsworth F. Bakers Der Mensch in der Falle (München 1980, S. 55-58) beschrieben wird.

(3) Dieser Mangel an anfänglichem Kontakt, der die Mutter so stark getroffen hat, hat sicherlich beim Kind weit mehr Schaden angerichtet. Hinzu kam der rauhe Umgang von seiten der Krankenschwestern, den die Mutter selbst sah.